DIE
ANfÄNGE
UNSERES
RENNENS
Die Initiative für einen neuen Rennplatz in der Bündner Herrschaft ging offenbar schon 1955 von den Churer Gebrüdern Andreas und Jürg Zindel aus. Es gelang ihnen, für ihre Idee eine Anzahl mutiger Rösseler zu begeistern, und ein ad hoc durchgeführter Renntag fand die Begeisterung der ganzen Region. Der Anstoss für die Gründung eines neuen Rennvereins war damit gegeben, und am 12.Juni 1956 wurde die Maienfelder Pferdesport e.G. geboren.
Einige Wirren und Stürme hatten die Verantwortlichen in den vielen Jahren schon zu überstehen und dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gründer ihr Hauptgewicht auf den Hindernissport legten, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Dies war in den Anfängen ohne Zweifel nur dank der guten Beziehungen der massgeblichen Herren zu den französischen Militärrennställen sowie zu den besten Hindernisreitern unserer Nachbarländer möglich. Um den schweren Parcours damals zu bewältigen, waren auch nur geübte, gut gerittene und hervorragend springende Pferde nötig. Reiter, die einen Sieg im Grossen Preis von Maienfeld in ihrem Palmarès führen durften, konnten sich glücklich schätzen. Allerdings gelang es in den ersten zehn Jahren nur einem einzigen Schweizer, in die überlegene Phalanx der Franzosen einzubrechen.
Jürg Zindel gewann den GP 1960 mit dem aus Paris hergereisten Topspringer Imposant, der für René Couétil schon mehrere Cross-Countrys gewann. Zuvor stand der Halbblüter jedoch im Besitz des Stalles Winterberg, für den Andreas Zindel aus Chur verantwortlich zeichnete. Ich vermute deshalb, dass Imposant beim Hindernisbau auf dem Rossriet mitbeteiligt gewesen sein dürfte und die Messlatte bei den Sprüngen so hoch setzte.
Der ursprüngliche Parcours des 5000 Meter langen Crosses führte über 20 feste Hindernisse und fünf Hürden.
WIE ALLES BEGANN
DIE SPORTLICHEN 50ER
Die Pferde-Besitzer hatten zu dieser Zeit oft Mühe, in der Schweiz einen geeigneten Reiter für den Grossen Preis zu finden. Zwangsläufig wichen sie dann auf Spitzenamateure von Italien (mit zum Teil Olympiaerfahrung im Militarysport), Frankreich oder Deutschland aus, was jedoch nicht immer einfach war. Um hier Abhilfe zu schaffen, haben die Verantwortlichen des Rennvereins und der Vorstand der Abteilung für Rennen (VAR) nach Lösungen gesucht. Zum Beispiel wurde schon 1959 ein Wanderpreis für den bestplatzierten Schweizer Reiter geschaffen.
Zudem sind die einheimischen Offiziere, die regelmässig in den Armeerennen ritten, als Amateure lizenziert worden. Auch Concoursreiter Max Hauri erhielt 1963 für den Ritt mit W. Bächtolds Pataclet eine Ausnahmebewilligung. Trotz den so unbürokratischen Lösungen war an der Vorherrschaft der französischen Militärrennställe über Jahre nicht zu rütteln, was auf der anderen Seite aber die Internationalität von Maienfeld unter Beweis stellte.
DIE 60ER - 80ER JAHRE
Als 1960 Jürg Zindel mit Imposant am Grossen Preis von Maienfeld startete, verfolgte ich als gerade Zwölfjähriger das schwere Cross-Country und staunte, wie die Pferde den Doppelsprung (Brook/Trockengraben), die Aussenschleife mit den Wällen, den breiten Trockengraben mit dem anschliessenden hohen Zaun-Busch-Einsprung in die Rennbahn zurück sowie den gefürchteten Hecken-Tief- sprung überwanden.
Mein Bubentraum! Dieses Rennen wollte ich auch einmal reiten! Diese Herausforderung wuchs in mir zusehends, als ich immer wieder sah, wie wenig Pferde alljährlich im GP reüssierten. Für unseren guten Steepler Pataclet wurde der Schwere des Rennens wegen für den GP kein lizenzierter Schweizer Amateur gefunden. Da erhielt der junge Lt. Max Hauri als Concours-Reiter kurzfristig vom VAR eine Sondertageslizenz.
Ich wollte auch einmal dabeisein und mich mit den französischen Reitern messen. 1975 hatte ich dann das unsagbare Glück, mit meinem Quero den GP von Maienfeld über 5000 Meter in totem Rennen mit dem legendären Duo Aramis/Cap. B. Marlin in neuer Rekordzeit zu gewinnen. Mit dem gleichen Quero wurde ich in den weiteren Jahren je einmal Zweiter und Dritter.
Meine Eltern sowie auch ich haben beinahe alljährlich unerzählbar schöne Ferien und Reitertage in Maienfeld verbracht und viele Jagden oder Ausritte in der Herrschaft mitgemacht, tolle Freundschaften gepflegt.
Hier noch eine lustige Erinnerung: Als kleiner Bub durfte ich mit meinem Vater am Wochenende an die Rennen. Mit Jakob Galletti (Besitzer), Bibi Torriani (Eishockeyspieler und Masseur) abends im Ausgang, hatte er mich im Hotelzimmer vergessen. Um zwei Uhr erwachte ich und weinte fürchterlich.
Während der Rennwoche wurden wir ausnahmslos von den Organisatoren herrschaftlich betreut. Speziell erwähnen möchte ich die langjährigen Präsidenten Rico Zindel, Hannes Guler sowie Kurt Giger und Mario Zyndel (ehem. Rennchef). Sie waren immer bereit, für uns etwas Neues zu organisieren, verbunden mit einem guten Essen und vorzüglichem Wein in der Bündner Herrschaft.
DIE 60ER - 80ER JAHRE
Unvergesslich ist auch die Traubenkur, natürlich hoch zu Pferd, mit dem legendären Trainer Hans Woop, Hitsch Thöny, Landquart, und vie- len anderen. Bei Föhnwetter sangen wir in der Laube draussen beim Restaurant «Ochsen» Dragonerlieder, dies um Mitternacht, zusammen mit den französischen Reitern. Als Pat Samuel seine Pferde aus Neuseeland via Meran an die Maienfelder Pferderennen brachte, organisierten wir nach dem Training auf der Rennbahn einen Bündner-Herrschafts-Apéro. Metzger Möhr spendierte spontan eine Bündnerplatte aus Eigenproduktion.
An einem frühen Vormittag vermissten wir am Frühstückstisch einen unserer Reiterfreunde. Sein Crosspferd sollte auf der Rennbahn gesprungen werden. Beim Ausmisten der Boxen fehlte er immer noch. Dies wurde alsdann von einem hilfsbereiten Funktionär übernommen. Wir machten uns Sorgen, dass ihm auf dem nächtlichen Nachhauseweg etwas zugestossen sein könnte. Im Dorf erkundigten wir uns nach ihm. Da entstieg er lachend im noch dunkelblauen Seidenanzug um 10Uhr dem Postauto.
Der Höhepunkt jedoch fand in der Pizzeria in Maienfeld statt. Nach gemütlichem Beisammensein kam uns die Idee, ähnlich dem Liverpooler Grand-National das Siegerpferd vom vergangenen Renntag in das Restaurant zu holen. Besitzer Kurt Loosli willigte ein, und nach einigen Gläsern Maienfelder fand auch diese Première in Anwesenheit der Bündner Presse statt. Einfach unvergesslich!
Die Renntage in Maienfeld lasse ich jeweils am Montag ausklingen, indem ich mich auf der Rennbahngegenseite unter einen Eichenbaum setze und die schöne Rennbahn und die einzigartige Landschaftskulisse betrachte. Einerseits
schwelge ich in Erinnerungen, andererseits freue ich mich schon wieder auf das nächste Jahr in Maienfeld.
(Fredy Bächtold)